Montag, 2. März 2009

"It's the development, stupid!" or How to Modernize Modernization?

Bruno Latours Kommentar zum Buch "Break Through. From the Death of Environmentalism to the Politics of Possibility" von T. Nordhaus und M. Shellenberger

Zusammenfassung auf Deutsch als Kommentar

Stichworte:
- Verursacherprinzip

1 Kommentar:

  1. Bruno Latour
    „It’s the development, stupid!“ or How to Modernize Modernization?


    Der Essay von Bruno Latour erschien 2008 und knüpft an das vielkritisierte Buch „Break Through. From the Death of Environmentalism to the Politics of Possibility“ von den politischen Beratern, Aktivisten und Autoren Ted Nordhaus und Michael Shellenberger (N&E) an.

    Latour knüpft an die Frage nach der Vereinbarkeit von Politik und Ökologie mit dem Prinzip des Modernismus an, nach dem Wissenschaft und Information die Grundlage der Politik darstellen. Damit übt er zunächst exemplarisch Kritik an der „Grünen“ Bewegung Frankreichs, die geprägt von Starrheit und Askese eine generelle Entpolitisierung des Themas Ökologie und schließlich die Selbstzersetzung der politischen Grünen bewirkte. Folglich würden Fragen der Ökologie einer bestimmten Gruppe zugeschrieben, anstatt als Kernproblem betrachtet zu werden. Latour vereint vier bislang getrennt behandelte Elemente: die Lähmung hervorgerufen durch den Glauben an die Erhaltenswürdigkeit der Natur, eine deterministische Wissenschaftsauffassung, ein beschränkter Umfang an politischer Emotionalität, und schließlich die Richtung auf der Zeitleiste, die alle das vorgibt.

    Latour greift den von N&E nach Ulrich Beck zitierten Spruch „die Modernisierung zu modernisieren“ auf und verknüpft ihn mit der bislang unbehandelten Frage nach dem „Nicht-Menschlichen“ – also der Natur – zu einer gesamtheitlichen Politikauffassung. Als Kernpunkt bezieht sich Latour auf die Bedeutung des Modernismus als die prägende Gesinnung unserer Gesellschaft: zukunftsgerichtet und jugendlich, in ständigem Streben nach Erneuerung und Aufbruch bei gleichzeitiger Indifferenz gegenüber der Vergangenheit. Der Zukunftsoptimismus begründet sich in der Überzeugung, mithilfe der Wissenschaft könnten wir unsere unklare Subjektivität aufklären: „Morgen werden wir das Wissen haben, um uns heute besser verstehen können“. Die Wissenschaft ist in der Lage, Emotionales, Werte und Ideologie von den harten Fakten zu trennen und lässt so die Vergangenheit als unklare Konstante zurück. In diesem wissenschaftsgebundenen Fortschrittsgedanken konstatiert Latour das Paradoxon, dass die stetige Zunahme von Ausmaß und Intimität der Verbindungen zwischen dem Menschlichen und dem Nicht-Menschlichen sowohl die Loslösung (Emanzipierung) von der Umgebung als auch die Bindung an selbige bewirkt.

    In den stetig wachsenden Verknüpfungen einzelner Disziplinen (Politik, Wissenschaft, Religion, Moral, Recht, Wirtschaft) untereinander liegt für Latour ein Definitionsproblem: Der optimistische Mensch, der überzeugt davon ist, daß diese Verknüpfgen von einem zukünftigen Standpunkt aus betrachtet weniger verwirrend erscheinen werden, lässt sich als Modernist bezeichnen. Derjenige hingegen, der sich auf eine Zukunft zunehmend vermischter und gleichzeitig heterogener Individuen einstellt, ist per se definitionslos.

    Die Bedeutung der Natur wird uns durch ihre Verletzlichkeit und Bedrohung bewusst. Diesen Bewußtseinsstand wiederum haben wir erst mit unserem Streben nach der Loslösung von selbiger erreicht, also durch unsere modernistischen, in die Zukunft gerichteten Bestrebungen. In dem Moment, in dem uns aber unsere Abhängigkeit von der Natur am Bewußtesten wird, sollen wir nicht davor zurückschrecken, uns weiter und intensiver mit ihr zu beschäftigen.

    Daraus erwächst ein neues Selbstverständnis des Menschen, das vertiefend auf den Zusammenhang mit seiner Natur wirkt: Das Bild des Atlas als Weltenträger (eigentlich Himmelsträger) wird von der Metapher zur Realität: Unerwartete Konsequenzen jeden Handelns werden den modernistisch ausgerichteten Menschen vor den Kopf stoßen und den environmentalist zum Abbrechen ermutigen, doch von nun an müssen diese Konsequenzen ähnlich einer Prozeßschleife wieder an den „Verursacher“ zurückgebracht werden und ergänzend integriert werden. Selbst vermeintlich bremsende (legislative) Kontrollmechanismen läßt Latour nicht als Ausrede zum Stillstehen gelten. Bezugnehmend auf Ulrich Beck leben wir nicht gefährlicher als früher, vielmehr lassen sich das Handeln und die daraus erwachsenden Konsequenzen nicht mehr trennen: nichts läßt sich mehr auslagern Die neue Spezies der post-environmentalists muß sich auf eine pragmatisch und konsequente Handlungsweise einstellen, bei der auch die Konsequenzen und Abhängigkeiten integraler Bestandteil des Handelns werden.

    Ein Bild für die fehlende politische Emotionalität findet Latour in Mary Shelleys Frankenstein, wo veranschaulicht wird, dass die Kreatur erst zum Monster wird, als sein Erschaffer sie verlassen hat. Die Parallele zur Politik findet sich im fehlenden Ausdruck der Liebe und Emotionalität für das, was wir geschaffen haben. Das Beherrschen der Natur ist in biblischer Anlehnung keineswegs eine Sünde, sondern vielmehr ein mit Emotionen verknüpfter Prozeß, Verantwortung für das zu übernehmen, was man geschaffen hat.

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